Was kaufe ich? Wann kaufe ich?
- Marian Rudnik
- 25. Okt. 2017
- 7 Min. Lesezeit
Aktienauswahl
Das mit Sicherheit schwierigste Thema ist die Aktienauswahl und der Kaufzeitpunkt. Welche Aktien sind gut? Wann steige ich ein? Ist der Kurs schon zu hoch? Oft werde ich das auch von Freunden gefragt und möchte mit diesem Post zeigen, wie das bei mir abläuft. Eins noch vorweg. Es soll auf keinen Fall so wirken, als wäre ich allwissend sondern spiegelt nur meine Ansichten und Meinungen wieder bzw. meine Art des Tradings. Auch ich lerne täglich noch dazu und muss manche Denkweise revidieren oder aufbessern. Diejenigen, die unter dem Punkt "Das Ziel" gestöbert haben, werden darüber gestolpert sein, dass ich eine Trendfolgetaktik verfolge. Diese bedeutet eine Anlagestrategie, die von der Besitzdauer einer einzelnen Aktie her sehr unterschiedlich sein kann. So kann es gut passieren, dass ich kurzfristig eine Tagesschwankung ausnutzen will und eine Aktie nur ein paar Stunden besitze oder im Gegensatz dazu, dass ich einen Kauf tätige und diesen Wert dann über mehrere Monate oder sogar Jahre in meinem Bestand halte. Der Zeitaufwand ist dementsprechend etwas höher, als bei einer langfristigen Anlagemöglichkeit, wie der Dividendenstrategie, bei der der Kursverlauf ziemlich nebensächlich ist und man sich nur auf den Gewinn durch die Zinsausschüttung des Unternehmens, die Dividende, konzentriert.
Durch meine mittlerweile schon ein paar Jahre andauernde Börsenerfahrung habe ich einige Unternehmen kennengelernt, die mir gefallen, mit denen ich mich identifizieren kann. Weiterhin lese ich Artikel in Zeitschriften oder im Internet, um auf mir bisher unbekannte Werte aufmerksam zu werden. Als nächsten Schritt besorge ich mir Informationen darüber. Typische Fragen, die ich mir stelle lauten dann:
"Macht das Unternehmen Gewinne?" "Werden die Gewinne sogar gesteigert?" "Und wie sehen die Geschäftszahlen der Vergangenheit aus?"
Das sind eigentlich die Basic Fragen, deren Antworten man sehr schnell bei z.B. www.finanzen.net zusammensuchen kann. Passen die Antworten in mein Raster, packe ich mir diese Aktien dann auf eine Art digitalen Spickzettel, eine Watchlist, bei der ich unter anderem immer den aktuellen Kurs angezeigt bekomme.
Das unterscheidet sich aber wahrscheinlich auch kaum von anderen Investitionsarten, die längerfristig anlegen. Jeder möchte schließlich Aktien von solide aufgestellten Firmen haben. Warren Buffet treibt dies auf die Spitze und bezeichnet diese als Burggraben-Unternehmen. Gemeint sind damit einzigartige Firmen, die kaum Konkurrenz haben. Entweder haben sie ein konkurrenzloses Produkt oder sind einfach gehyped. Beispiele dafür gibt es einige. Apple, Facebook, Amazon, Google....Die Klassiker. Langfristige Anleger kaufen diese Aktien und können auf Jahre gesehen eigentlich nicht viel falsch machen.
Ich persönlich habe noch eine breitere Auswahl an Aktien und manchmal spielt auch das Bauchgefühl mit, so kann es auch sein, dass ich Aktien, die keine Gewinne machen, als interessant deklariere. Das ist beispielsweise oft bei Firmen der Fall, die in der medizinischen Forschung tätig sind. Da spricht der Volksmund dann von Biotech-Werten.
Ich nehme mir jetzt meine Watchlist, also meinen Spickzettel und schaue fast täglich auf die Kursentwicklungen. Nun poppt die Frage auf, die ich auch ganz am Anfang schon in den Raum geworfen habe, nämlich, wann ein geeigneter Zeitpunkt ist, die Aktie zu kaufen. Nochmal zur Erinnerung. Für langfristige Investoren ist diese Frage nebensächlich, wenn man von dem Wert überzeugt ist und sie sowieso vorhat mehrere Jahre zu halten. Beim Trading ist das etwas anders, da man dort möglichst alles Kursschwankungen ausnutzen will. Der folgende Teil beschäftigt sich damit und wird sehr wichtig. Ich habe mich lange damit schwer getan, das anzuerkennen.
Bestimmung des Einstiegszeitpunktes mit Hilfe von Charttechnik
Das Thema klingt trocken, keine Frage und ich möchte auch keine Wissenschaft daraus machen, sondern die wichtigsten Dinge erläutern, denn es gibt es alleine zu dem Thema ganze Bücher, aber dies ist schließlich nur ein Blog. Als ich die ersten Videos von Experten zu schauen begann, die vor großen Fernseher mit wildesten Charts und eingezeichneten Linien ihre Meinung äußerten, fielen immer wieder die Begriffe "Widerstand", "Unterstützung", "Ausbruch", und was es noch so alles gibt. Alles charttechnische Begriffe. Ich konnte damit nicht viel anfangen und fragte mich immer nur, wieso denn zur Hölle ein Chart irgendeinen Widerstand haben soll. Der Grund ist: Die Börse ist nichts andere als Psychologie!
Warum steht eine Aktie da, wo sie steht?
Dazu ein kleiner Ausflug, wie ein Börsenkurs überhaupt entsteht.
Aktienkurse sind nicht rational zu erklären. Ein gutes Beispiel ist Tesla. Der Kurs ist aktuell bei um die 300€. Womit ist das zu erklären? Die Firma Tesla ist Hersteller von Elektroautos und hat noch in keinem einzigen Jahr seiner Firmengeschichte ein positives Ergebnis erzielt, Jahr für Jahr macht der Konzern ein Minus. Trotzdem glauben die Leute scheinbar an Tesla und genau, wie manche Leute unbedingt ein Apple Produkt haben wollen, gibt es im Moment viele Börsianer, die unbedingt Tesla Aktien besitzen wollen. Ein Kurs basiert einzig und allein auf Angebot und Nachfrage. Es spiegelt weder den wahren Wert eines Unternehmens wieder, noch bewegt sich der Kurs immer rational und parallel zu etwaigen News.
Noch ein Beispiel: Air Berlin. Nachdem klar war, dass die Airline insolvent ist, ist verständlicherweise der Kurs in die Knie gegangen, weil alle ihre Aktien loswerden wollten, bevor die Insolvenz durch ist. Der Kurs ging runter bis auf 0,15€. Logisch und verständlich. Doch am nächsten Tag zuckte der Kurs zwischenzeitlich auf 0,30€ hoch. Also eine Verdopplung. Warum? Rational erklärbar war das nicht. Einfach nur, richtig, Psychologie. Die Leute sahen, dass der Kurs etwas nach oben ging und alle witterten den schnellen Gewinn, an dem sie teilhaben wollten, indem sie kauften und wie ein Dominoeffekt sprang der Kurs nach oben. Als die Dynamik dann abebbte, fiel den Leuten wieder ein "Achja, die Air Berlin ist ja pleite, ich sollte lieber wieder schnell verkaufen" und flohen wieder aus dem Wert, das Spiel kehrte sich um und der Kurs war am nächsten Tag wieder bei 0,15€.
Das ist wichtig und muss einem klar werden. Ein Aktienkurs steht da, wo er nun einmal steht. Die Börse hat immer Recht, so ein bekannter Spruch. Wenn die Leute kaufen wollen, dann kaufen sie auch und treiben damit den Kurs nach oben. Ob das jetzt gerechtfertigt ist oder nicht, sei dahin gestellt, aber sind über 1000€ für ein IPhone X gerechtfertigt? Auch das sei dahin gestellt und trotzdem ist es so.
Von hier schlage ich jetzt die Brücke zur Frage, wann man als Trader einsteigen sollte. Man muss sich das gerade erklärte Phänomen zu nutze machen und diese Hysterie oder diesen, manchmal irrationalen Kaufrausch zu nutze machen.
Es gibt immer wieder Punkte bzw. Kurse in einem Aktienchart, die diese Hysterie und Kaufpanik auslösen können.
Was das für Punkte sein können, zeige ich in einem Beispiel:
Charttechnik am Beispiel der Aktie von der Telekom
Das ist beispielhaft der Chart der deutschen Telekom von Januar 2017 bis Juli 2017.

Unten sieht man den zeitlichen Verlauf und rechts den Aktienkurs.
Die orangene Linie habe ich eingezeichnet. Sie stellt den schon erwähnten "Widerstand" da.
Die Telekom ist bekanntermaßen ein recht langweiliger Wert. Die Quartalsergebnisse fallen immer ziemlich genau so aus, wie von den Analysten geschätzt und es gibt wenig weltbewegende News. Genau deshalb eignet sich die Telekom gut, um die Charttechnik anzuwenden, da der Chart nicht von irgendwelchen Ereignissen verzerrt wird.
Man kann deutlich erkennen wie der Chart bis zum Mai regelmäßig bis 16,50€ steigt, um dann wieder nach unten abzufallen. Das ist die Stelle, wo ich zum besseren optischen Eindruck die horizontale Linie eingezeichnet habe.
Insgesamt 4-5 Mal geht er hoch bis zur Linie aber nie darüber hinaus. Die Frage ist, warum er das tut.
Nun wird es interessant und es kommt wieder einmal die Psychologie ins Spiel. Ich weiß, ihr könnt das Wort nicht mehr hören, aber es ist wichtig!
Jeder sucht sich einen guten Einstiegspunkt. Manche sagen, sie wollen unbedingt einen Tiefpunkt erwischen, aber einige denken auch genau anders und wollen eine Aufwärtsdynamik, eine Welle ausnutzen und mitreiten, wie in diesem Beispiel. Diese Dynamik entsteht meistens genau dann, wenn Widerstände überwunden werden.
Als der Kurs Anfang Mai den Widerstand von 16,50€ durchbricht werden immer mehr Leute darauf aufmerksam und alle sehen, dass sich da gerade eine Dynamik entwickeln könnte. Jeder will jetzt mit dabei sein und kauft sich ein, so wie sich bei Ebay in den letzten Minuten alle beteiligten Bieter gegenseitig hochschaukeln. Dadurch klettert der Kurs nach oben und der Aufwärtstrend beschleunigt sich sogar. Keiner will der letzte sein und dies verpassen und im Endeffekt ist die Aktie innerhalb eines Monats um über 10% nach oben geprescht. Danach verblasste die Euphorie und die Aktionäre verkauften nach und nach ihre Aktien und der Kurs ging wieder nach unten, durchbrach die orangene Linie und sank sogar auf einen Kurs, der niedriger lag als je zuvor in diesem Zeitraum.
Konkret auf mich bezogen, kann ich sagen, dass ich diesen Ausbruch leider nicht genutzt habe. Warum weiß ich nicht mehr. Aber ich wäre es dann in etwa so angegangen:
Sagen wir, es wäre April, die Telekom wäre auf meiner Watchlist gewesen und ich hätte den Chart untersucht und genau diese orangene Linie eingezeichnet. Die Watchlist hat die Funktion, dass man sich einen Kurs vermerken kann, der einen Alarm auslöst, wenn die Aktie diesen Kurs erreicht. Ich hätte mir auf meiner Watchlist also die 16,50€ hinterlegt und irgendwann Anfang Mai dann die Info bekommen, dass der Kurs die 16,50€ überschritten hätte. Das wäre dann der Moment gewesen, wo ich die Aktie gekauft hätte und schwupps, in einem halben Monat ständen 10% Plus zu buche. Vorausgesetzt natürlich, ich hätte am Höchststand verkauft. Sehr wahrscheinlich wäre das nicht passiert, da den richtigen Verkaufspunkt zu finden in dieser Chart-Konstellation, wie es dann letztendlich gelaufen ist, nicht einfach ist. Aber Verkaufspunkte finden ist ein anderes Thema und nicht Teil dieses Blogs. Als Denkanstoß vielleicht schon einmal vorweg: Wenn es Widerstände gibt, gibt es auch Unterstützungen. Das Prinzip ist gleich, nur dass ein Durchbrechen nach UNTEN ein Verkaussignal generiert, im Gegensatz zum Durchbrechen nach OBEN bei Widerständen ein Kaufsignal auslöst.
Ich hoffe, die Ausführungen waren verständlich und ich betone, dass das nur eine Möglichkeit ist einen Chart für sich zu nutzen und dies natürlich ein Paradebeispiel ist, was nicht immer funktioniert. Sonst würde mein Zielzeitraum nicht 10, sondern 2 Jahre betragen. :)
Wichtig für Anfänger aber auch für Fortgeschrittene ist, dass man möglichst charttechnische Käufe nur bei einer gesunden Aktie macht, das heißt, bei einer Aktie, die sich im Rückblick auf die letzten Monate oder Jahre gerade in einem Aufwärtstrend befindet, also der Kursverlauf deutlich nach oben gegangen ist und wenn möglich auch solide Geschäftszahlen vorliegen.
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