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Wirecard - ein unfassbares Ende

  • Marian Rudnik
  • 3. Juli 2020
  • 5 Min. Lesezeit

Alle, die hier regelmäßig meine Beiträge lesen, wissen, dass ich immer ein großer Wirecard Fan war und auch oft Einträge dazu geschrieben habe.

Und in der Tat: fundamental war es oft eine sehr, sehr unterbewertete Aktie, die unter schlechter Presse gelitten hat.

Nunja, jeder habt wohl mittlerweile mitbekommen, was in den letzten zwei Wochen alles abging und, wie sich die Ereignisse überschlagen haben.

Ich möchte jetzt auch gar nicht mehr genau auf die Story an sich eingehen, die wurden ja in allen Medien ausgebreitet und besprochen und selbst bei Menschen, die nichts mit Aktien am Hut haben, ist Wirecard heute in aller Munde.

Was ich aber tun möchte ist, hier ein paar Fragen zu stellen und auch Antworten auf ein paar Dinge zu geben. Zumindest es zu versuchen, denn dieses Wirrwarr mit sich täglichen ändernden Begebenheiten ist schwer zu durchschauen und noch sind bei weitem nicht alle Verstrickungen bekannt.

Zuerst einmal habe ich am 18.06., dem Tag, der den Stein mit dem nicht erteilten Testat der Abschlussprüfung für 2019 ins Rollen gebracht hat, sehr viel Geld verloren, was mich in meiner Planung mindestens 2 Jahre zurückgeworfen hat und nicht leicht zu verdauen ist. Es war meine deutlich größte Position in meinem Depot und dadurch auch der Verlust erheblich.

Im Nachhinein weiß man es immer besser und, wenn ich Kommentare lese von wegen "die Zeichen waren eindeutig, dass da was im Busch ist" oder "jetzt sieht man, wie wichtig Diversifizierung, also Verteilung des Geldes auf viele Aktien, ist" oder auch "das kommt davon, wenn man zu gierig ist", geht mir das auf die Nerven und hilft auch keinem weiter. Fakt ist, meine Einschätzungen waren ein Fehler und ich habe eine eindeutig falsche Entscheidung getroffen. ABER: Meine Einschätzungen basierten alle auf der Annahme, dass das Unternehmen sauber ist und, wenn überhaupt, so wie es ja auch der KMPG Bericht her gab, der die Jahre 2016-2018 unter die Lupe nahm, lediglich einen Bruchteil der Umsätze in Frage gestellt werden musste, wohingegen der Rest sauber schien.

Ein Bilanzbetrug in dieser Größenordnung ist einzigartig und mal ehrlich wie soll man von so einem Szenario bei einem deutschen DAX-Unternehmen ausgehen, wenn man es sich nichtmal vorstellen kann? Ich konnte es zumindest nicht, schon gar nicht, dass vorher jemand damit über mehrere Jahre unentdeckt durch kommt. Aber nun ist es halt passiert und es stellt sich die Frage, ob man es hätte verhindern können.

Klar, man hätte bei den ersten Anzeichen reagieren und alles verkaufen können oder zumindest reduzieren.

Dazu muss ich sagen, dass es für mich aber eher eine Investition war, als ein Aktienkauf. Hätten die fundamentalen Daten gestimmt, hätte eine sehr gute Zukunft vor Wirecard gelegen, deshalb war meine Wirecard-Position auch größer, als alle anderen - eben weil es für mich eine Investition war, im Sinne von: ich stecke meine Kohle in ein Unternehmen, weil ich davon überzeugt bin. Wie man Geld in ein Startup steckt, wenn man das so vergleichen möchte. Viel mehr abgesondert von meinem eigentlichen Depot. Deshalb hatte das ganze bei mir auch überhaupt nichts mit Gier zu tun, sondern die Voraussetzungen waren für mich einfach bestens - und wenn man sich bei einer Sache sicher ist, sollte man auch mal etwas riskieren im Leben. Ist zumindest meine Meinung. Man muss dann nur auch damit leben können, sollte es in die Hose gehen. Und nochmal: wer hätte denn wirklich mit so einem Bilanzskandal gerechnet? Ich glaube (fast) niemand und selbst die Leerverkäufer hätten sich so einem Absturz in ihren feuchtesten Träumen nicht vorgestellt.

Definitiv hätte ich vorsichtiger sein können, dann verpasst man aber auch manchmal einfach große Chancen.

Nun ist es aber so, wie es ist und das bleibt unter dem Strich stehen. Wobei bei mir immer noch Dinge präsent sind, die für mich Unverständnis auslösen und auch rückwirkend betrachtet irgendwie nicht zusammenpassen und deswegen diese Vorhersage einer Insolvenz in Folge dieses Betrugs so schwer gemacht haben.

Warum war es für mich so schwer, das vorherzusehen?

1. Warum zum Beispiel hat Markus Braun, der (mittlerweile) Ex-CEO, einen großen Teil seines Vermögens in Wirecard-Aktien gesteckt, obwohl er scheinbar von den ganzen illegalen Machenschaften wusste. Hat er über Mittelsmänner die Aktie gleichzeitig leerverkauft? Oder glaubte er ernsthaft, dass das alles niemals rauskommt? So hat er jetzt ja auch Millionen an Euros verloren, sollte er sich nicht im Hintergrund irgendwie abgesichert haben. Und warum hat er diese KPMG Sonderprüfung überhaupt angestoßen, obwohl er es gar nicht musste? Christoph Daum-Syndrom?

2. Warum sind den Ermittlern der KMPG in ihrer Sonderuntersuchung nicht schon der Betrug oder zumindest Ungereimtheiten in dem Ausmaß aufgefallen und auch so berichtet worden. Und wäre es nicht möglich oder sogar notwendig gewesen, dass E&Y in ihrer Prüfung des Jahresberichtes die pikanten Findings so auch frühzeitig kommuniziert werden? Oder gibt es da eine Art Schweigepflicht? Und warum hat man die Jahre davor nie etwas gefunden? Scheinbar sollen die illegalen Aktivitäten seitens Wirecard ja schon etliche Jahre bestehen.

3. Warum befeuert Wirecard alle paar Wochen noch die Zuversicht der Anleger durch ihre Statements, dass bisher nichts gefunden wurde und man von einem uneingeschränkten Jahresbericht ausgeht. Selbst einen Tag vorher wurde noch der Termin für den Bericht und die darauffolgende Pressekonferenz bestätigt - dort muss doch schon klar gewesen sein, dass es dazu niemals kommen wird.

All diese Punkte und Fragen haben es mir und auch vielen anderen schwer gemacht, dieses kommen zu sehen und ich will mich hier auch nicht raus reden, aber ich bleibe dabei, so etwas ist in diesem Ausmaß und der Dreistigkeit ein einmaliges Ereignis, was sich so schnell auch nicht wiederholen wird.

Mittlerweile ist mein Schock auch überwunden und ich beschäftige mich dann nun mit allen weiteren Aktien außer Wirecard.

Was mich an dieser ganzen Geschichte deprimiert ist natürlich schon das verlorene Geld, aber viel mehr, dass aus diesem Top Unternehmen innerhalb einer Woche ein Pleite-Laden geworden ist und alle rosigen Zukunftsaussichten plötzlich im Nichts verschwunden sind und damit einhergehend die Kursgewinne, die, wären die Zahlen nicht gefaked gewesen, nur eine Frage der Zeit waren. All die Fantasie und zukünftigen Depotzuwächse mit der Aktie haben sich plötzlich aufgelöst. Und das ist für mich der deutlich schwerwiegendere Brocken.

Jetzt die Wirecard Aktie zu öffnen und dort einen Kurs von 3,30€ zu sehen, nach über 100€ vor zwei Wochen sieht immer noch seltsam aus und ist schwer zu glauben.

Aber: denkt immer daran, es ist "nur" Geld. Viel wichtiger sind andere Dinge und, dass es mir z.B. mittlerweile wieder gesundheitlich sehr gut geht, ist die verlorene Kohle auf jeden Fall wert. Beides wäre zwar auch schön gewesen, aber ihr und ich haben ja noch ein paar Jährchen vor uns, das wieder reinzuholen :)

Und in zehn Jahren sitze ich hoffentlich mit meinen Freunden im Kino, schaue mir einen Film über den Wirecard-Skandal an und erinnere mich an die heutige Zeit - mit einem Lachen im Gesicht.

 
 
 

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