Warten auf den nächsten Crash
- Marian Rudnik
- 25. Nov. 2017
- 5 Min. Lesezeit
"Die Kurse sind schon viel zu hoch, ich warte erst den nächsten Crash ab, bevor ich einsteige."
Dieser Satz fällt häufig; ob Anfänger oder Aktienprofis, benutzt wird er regelmäßig.
In diesem Post möchte ich etwas auf das Thema eingehen und meine Überlegungen dazu verschriftlichen, ob der Markt denn wirklich schon zu heiß gelaufen ist.
Indikatoren zur Marktbeurteilung
Es gibt verschiedenste Ansätze und Indikatoren, die Analysten benutzen, um den Markt zu bewerten.
Abbildung der Historie auf die Gegenwart
Da gibt es zum Beispiel eine Idee, auf die Vergangenheit zu schauen und den Chartverlauf mit der Gegenwart zu vergleichen. Unbestritten gibt es in der Wirtschaft immer wieder eine Depression gefolgt von einem Boom - Die Konjunktur, die sich wellenförmig an der Zeitachse entlang hangelt. WANN sich allerdings ein Hoch in Richtung eines Tiefs entwickelt und wie ausgeprägt das dann ausfällt, das ist schwer vorherzusehen und feste Zeitabstände gibt es schon gar nicht. Deshalb ist ein Rückblick auf die Chart-Historie nur bedingt zu empfehlen.
Der Volatilitätsindex (VIX)
Ein weiterer Indikator, der gerne zu Rate gezogen wird, ist der so genannte "Volatilitätsindex" oder auch "VIX". Die Volatilität beschreibt die Schwankungsbreite der Aktienkurse. Kurz gesagt, je höher der Volatilitätsindex, desto mehr schwanken die Kurse und desto höher ist die Unsicherheit am Markt. Die Börse ist anfälliger für steigende- aber auch fallende Kurse. Die Anleger sind sind sehr sensibel und nutzen jedes kleine Indiz dazu, ihre Meinung zu ändern. Sind sie an dem einen Tag noch überzeugt von steigenden Kursen, kann sich das nach einem Minustag oder irgendwelcher News am Folgetag umkehren.
Schaut man sich den VIX aktuell an, muss man feststellen, dass er konstant auf niedrigem Niveau liegt. Die Börsianer sind also entspannt und lassen den Markt tendenziell weiter laufen wie bisher.
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)
Als drittes und letztes Hilfsmittel, dem ich persönlich am meisten Relevanz zugestehe, möchte ich den KGV vorstellen.
Dazu muss ich ein wenig weiter ausholen und es wird etwas theoretisch, aber ich möchte es zumindest einmal erklären. Die Benutzung an sich ist letztendlich simpel, also lasst euch nicht sofort abschrecken, sondern lest einfach weiter!
Jedes börsennotierte Unternehmen hat eine bestimmte Anzahl an Aktien, die an der Börse gehandelt werden können. Das ist ein ähnliches Prinzip, wie z.B. bei Autos.
Ein seltener Porsche wurde nur 1000 Mal auf der Welt produziert. Die handelbare Menge ist also 1000, mehr gibt es einfach nicht.
Ein anderes Beispiel sind spezielle Briefmarken, die zu besonderen Anlässen gedruckt wurden. Diese haben nur eine bestimmte handelbare Menge, die Interessenten kaufen und verkaufen können. Es gibt keine Nachdrucke.
Zurück zur Börse.
Wenn man nun den Jahresgewinn einer Firma in einen Gewinn pro handelbare Aktie herunterreichtet, bekommt man den EPS Wert (Earnings per Share).
Ein Beispiel:
Der Jahresgewinn des Unternehmens beträgt 10 Millionen €.
Es befinden sich eine Millionen Aktien (im vorherigen Beispiel die Anzahl der Porsches oder die Menge der speziellen Briefmarken) im Umlauf.
Rechnet man jetzt den Jahresgewinn geteilt durch die Aktienanzahl, kommt man auf einen Gewinn pro Aktie (EPS) von 10€. Dies ist nur ein Richtwert für weitere Berechnungen und muss erstmal nicht weiter vertieft werden.
Diesen Wert muss man in Zukunft auch nicht selbst berechnen, weil es in Bilanzen oder auf verschiedenen Börsenseiten, die Fundamentaldaten einzelner Unternehmen anbieten, ausgewiesen wird.
Aussagekräftig wird es erst richtig, wenn das schon angekündigte Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ins Spiel kommt.
Man setzt den Gewinn pro Aktie (EPS) in Relation mit dem aktuellen Aktienkurs eines Unternehmens.
Die Telekom hatte im Jahr 2016 einen, in den Bilanzen ausgewiesenen Gewinn von ca. 0,60€ pro Aktie.
Der Aktienkurs stand am Jahresende bei ca. 16€.
Das bedeutet, der Aktienkurs fast 27 Mal so hoch, wie der Gewinn pro Aktie (EPS). Das Verhältnis vom Kurs zum Gewinn, das KGV, beträgt also 27.
Dieser Wert ist sehr wichtig, damit man verschiedene Firmen und deren Ansehen und Bewertung an der Börse beurteilen und vergleichen kann.
Als Richtwert kann man sagen, dass zukunftsträchtige Unternehmen ein höheres KGV haben, als, überspitzt gesagt, langweilige Unternehmen. Das Durchschnitts-KGV ist branchenspezifisch.
So haben die Autohersteller im DAX zum Beispiel ein durchschnittliches KGV von ca. 10, Pharmaunternehmen aus dem TecDAX eher Richtung 30-40. (Ich beziehe mich für die weiteren Ausführungen einfachhalber immer auf den DAX, da er der wichtigste Index ist, in denen die größten deutschen Firmen gelistet sind.)
Wie gesagt, das ist nur ein Durchschnittswert, die Börse hält sich natürlich nicht immer daran - warum auch? Es gibt immer Ausreißer nach oben und unten, aber als Richtzahl sind die Werte durchaus geeignet.
Wem das jetzt alles verständlicherweise etwas schwer verdaulich war, den kann ich beruhigen - man muss als Neuling nicht alles zu 100% verstehen. Ich wollte, wie ja auch schon erwähnt, nur einmal den kompletten Weg und die Berechnungen aufzeigen und fasse alles jetzt nochmal in ein verständliches Bild zusammen:
Generell lässt sich sagen, dass ein Aktienkurs steigt, je mehr Gewinn ein Unternehmen macht. Bleibt der Gewinn dagegen konstant, während der Aktienkurs steigt, dann erhöht sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Wenn das bei vielen Aktien aus dem DAX passiert, dann steigt das DAX-KGV, das alle in dem gleichnamigen Index befindlichen Unternehmen mit einbezieht.
Je höher dieses DAX-KGV, desto gefährlicher wird es, da tendenziell die Aktien-Kurse der DAX Unternehmen extrem gestiegen sind, ohne, dass sich der Unternehmensgewinn gesteigert hat. Ich schreibe extra "generell", denn normale Kursschwankungen gibt es natürlich immer.
Die aktuelle Situation ist folgende:
Zugegebenermaßen ist der Anstieg und er letzten Zeit immens.
Während der DAX seit 2016 ein Plus von ca. 50% ausweist (von 9000 auf 13.500 Punkte), pendelt das DAX-KGV jedoch relativ konstant zwischen 12 und 14.
Nochmal übersetzt: Der DAX hat 50% an Kurswert dazugewonnen, die Unternehmensgewinne der DAX-Konzerne aber auch! Die Kursanstiege im DAX sind also begründet.
Folgender Chart, zeigt das KGV, das Verhältnis vom Unternehmensgewinn zum Aktienkurs, zurückreichend bis zum Jahr 1980:

Das Durchschnitts-KGV in dieser knapp 40-jährigen Zeitspanne beträgt 19, also deutlich über dem aktuellen. Es gab sogar Phasen, da lag der KGV bei 20-30. Die Aktienkurse waren also überproportional hoch in Relation zu den Unternehmensgewinnen.
Da sind wir mit unseren 12-14 doch noch weit drunter. Sieht nicht sonderlich besorgniserregend aus oder?
Fazit: Ist der Markt überhitzt?
Meiner Ansicht nach befindet wir uns im Moment in einer sehr gesunden Wachstumsphase, in der die Unternehmen gleichermaßen mit ihren Aktienkursen wachsen. Sollte das DAX-KGV, also der Chart aus der Grafik von gerade, in Richtung 20 laufen, würde ich etwas vorsichtiger werden - aber aktuell ist alles im grünen Bereich. Viel mehr noch befinden wir uns ja sogar noch unter dem Durchschnitt der letzten 40 Jahre. Die Chance, dass die Kurse weiter steigen und man den immer noch guten Einstiegszeitpunkt verpasst, ist weitaus größer, als ein fallender Markt.
Was ist überhaupt ein Crash?
Eine weitere und letzte Fragestellung, die ich bisher noch gar nicht erläutert habe. Wann spricht man, denn von einem Crash?
In der Vergangenheit wurden Börsencrashs ja immer durch irgendwelche Krisen ausgelöst. 2001 gab es das Attentat vom 11. September, 2008 die Lehmann Pleite in den USA, es gab Kriege und Ölkrisen.
In der jüngsten Vergangenheit war die Bankenkrise 2008 wohl die schwerwiegendste mit einer Halbierung des DAX innerhalb von einem Jahr. Bis der DAX wieder Kurse von vor der Krise erklommen hatte, dauert es knapp 5 Jahre.
Was will ich damit sagen?
Ich möchte zum einen damit sagen, dass ein Börsencrash fast ausnahmslos von externen Ereignissen ausgelöst wird. Es hat selten damit zu tun, dass der DAX auf Grund seines hohen Kurs-Niveaus in sich zusammenbricht. Das hohe Niveau provoziert höchstens eine größere Fallhöhe - der Dax wäre aber auch bei einem niedrigeren Niveau in sich zusammengefallen.
Deshalb sind für mich die Betrachtungsweisen und Berechnungen, ob wir kurz vor einem Crash stehen Makulatur. Rapide fallende Kurse werden durch Krisen oder Ereignisse ausgelöst, nicht durch Analysen - und Krisen und Ereignisse auf der Welt sind selbstverständlich nicht vorhersehbar.
Zum anderen entwickelten sich selbst diese crash-artigen Kurseinbrüche immer über mehrere Wochen bis zu ihrem Tiefpunkt. Mit einer vernünftigen Exit-Strategie halten sich die Verluste im Depot dadurch in Grenzen.
Mein im Depot befindliches Geld ist im Moment zu 100% in Aktien investiert, da ich von weiter steigenden Kurse ausgehe oder zumindest nicht mit stark fallenden Kursen rechne. Das ist natürlich nur meine persönliche Einschätzung auf Grund meiner Überlegungen, die ich hier mit euch geteilt habe.





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