top of page

Gefühlsausreißer

  • Marian Rudnik
  • 31. Okt. 2017
  • 5 Min. Lesezeit

Jeder, der schon einmal an der Börse aktiv war, kennt die Gefühle, die der Alltag mit sich bringt. Diese sind vielfältig.

Da wären zum einen die positiven Gefühle, die wohltuende Empfindung, die proportional zu den steigenden Aktienkursen verläuft. Einfach gesagt: Man freut sich, wenn seine Idee des Trades geklappt hat.

Natürlich ist es toll, wenn es läuft und läuft. Zugegebenermaßen konnte man dieses Jahr am Aktienmarkt wenig falsch machen, aber es sind auch die kleinen Trades, die sich auf die Stimmung auswirken.

Leider sind die Negativgefühle bei mir und ich denke bei den meisten anderen auch, deutlich stärker als die positiven.

Das Schwierige daran ist, diese Gefühle im Zaum zu halten.

Ein Schlag in den Magen. Beispiel eines negativen Stressgefühls.

Mir fällt es weiterhin ziemlich schwer die Eindrücke zu ordnen und sie sich eben nicht auf die Stimmung auswirken zu lassen.

Es ist ähnlich wie beim Glücksspiel. Wenn es läuft ist alles prima, wenn man verliert, dann passiert etwas mit einem. Panik, Wut, eine Art Hilflosigkeit. Und die Liste ist individuell noch länger.

Neben meiner schon erwähnten Watchlist, habe ich auch eine 2. Liste, wo mein gesamtes Depot aufgelistet ist. Morgens um 9 Uhr eröffnet die Börse und ich beginne meinen Tag damit, zu checken, was mein Portfolio, also mein Aktiendepot heute macht und dieses kurze Nachschauen hat unbestritten zumindest einen kleinen Einfluss auf die Stimmung und meinen Start in den Tag.

Startet mein Depot im Plus und ich sehe das grüne Plus-Zeichen, gefolgt von der Summe, dann setzt sich sofort Zufriedenheit ein - umgekehrt ist es bei einem Minus bei Börseneröffnung.

Ganz aggressiv ist das Gefühl, wenn etwas unverhofft kommt.

Manchmal gibt es Tage, da bin ich vormittags beispielsweise 2% im Plus. Als absoluter Wert sind das ca. 2000€. Zwischendurch liegt mein Fokus natürlich auf anderen Dingen - ich muss arbeiten, gehe etwas essen oder Sonstiges. Nachdem ich dann wieder etwas Luft habe, rufe ich mein Portfolio auf, um den aktuellen Stand zu prüfen. Anfangs wird immer noch der alte Stand, also die 2000€ Plus angezeigt, da es einen Moment bedarf, die aktuellen Kurse aus dem Internet zu laden. Der anhaltende Update-Status baut bei mir dann eine Art Vorfreude, aber auch Unsicherheit auf. Die Spannung steigt. Und dann: "BAMM!", die grüne 2000 hat sich in eine rote 2000 verwandelt, mit einem Minus davor. Alleine diese rote Farbe haut mir mit voller Wucht in die Magengrube. Kennt ihr das Gefühl, das sich aus dem Nichts in einem von jetzt auf gleich ausbreitet, wenn man nach dem Aussteigen merkt, dass man seinen Sportbeutel auf dem Weg in die Schule in der S-Bahn vergessen hat? Genau so fühlt sich das bei mir an. Stress! Egal, welche Beschreibungen man für diese negativen Gefühle benutzt, im Endeffekt bedeutet es immer Stress. Weniger die finanziellen Verluste, als viel mehr das angekratzte Ego und die Angst vor einer unaufhörlichen Abwärts-Spirale lösen bei mir das genannte Gefühl aus.

Für anfällige Leute kann das gefährlich sein, denn Spielsucht hat genau hier ihre Anfänge und wird durch das Auf und Ab und die dadurch induzierten Emotionen genährt.

Ich finde ja auch, dass sich Eifersucht so ähnlich anfühlt. Diese kurze Benommenheit, gepaart mit Wut und diesem begleitenden flauen Bauchgefühl.

Eigentlich bin ich nach außen immer ein, ich nenne es mal "emotionsneutraler" Mensch. Schwer durchschaubar und auch innerlich habe ich meine Emotionen meistens ganz gut im Griff. Es liegt glaube ich daran, dass ich immer probiere alle Seiten zu beleuchten und alle Sichtweisen zu erfassen. Rationales Denken, das versuche ich mir immer wieder in stressenden Situationen aufzuerlegen. Ein Stück weit wurde ich so auch für meinen Pilotenjob ausgesucht, wo es im schlimmsten Fall ja zu sehr abnormalen Situationen kommen kann, in denen man die Ruhe bewahren und rationale Entscheidungen treffen muss, obwohl einem gerade zum Beispiel ein Triebwerk abfackelt. Lieber ruhig bleiben, als laut zu schreien, dass wir alle sterben werden.

Das Ziel ist, das Problem anzugehen und möglichst sachlich zu handeln.

Mit Gefühlen und Emotionen umgehen.

So ist es auch an der Börse. Das ist verdammt schwer und selbst nach ein paar Jahren Erfahrung habe ich damit noch oft Probleme, auch wenn sie kleiner geworden sind. Ein gutes Rezept zum Abstellen von Emotionen habe ich auch nicht. Das ist schließlich auch eine Charaktereigenschaft, die sich bestimmt niemals ganz abstellen lässt. Man kann nur versuchen Warnzeichen zu erkennen und mit ihnen umzugehen. Klingt jetzt sehr psychologisch, aber ist es ja auch.

Schon die Rachegelüste am Aktienmarkt, wenn nach einem Kauf der Kurs quasi direkt fällt oder sich die Aktie in die Höhe schraubt, nachdem man verkauft hat, löst bei mir Stress aus. Man fühlt sich von der Börse missverstanden und im Kopf schwingt der typische Satz "Jedesmal wenn ich verkaufe, steigt der Kurs", mit. Ich wette, jeder Aktionär hat schon einmal diesen Satz gesagt oder zumindest gedacht. Jedesmal! Immer! Wieso ich?

Mit der Zeit wird dieses Gefühl erfahrungsgemäß jedoch schwächer - man muss mental mit der Aktie abschließen, ab dem Zeitpunkt des Verkaufs. Und auch die anderen, noch stärkeren, negativen Gefühle werden schwächer.

Wenn ich diese schlimmste aller Situationen habe und ein fettes Minus in meinem Depot steht, lege ich jeden Gedanken an die Börse für diesen Tag bei Seite. Sie interessiert mich nicht mehr. Ich lege das Handy wieder weg und habe wieder Tisch-Gespräche mit den Kollegen oder gehe zum Sport. Morgen ist ein neuer Tag. Klingt abgedroschen, ist aber besonders bei der Börse ein treffender Satz.

Und wenn dann morgen ein neuer Tag ist, und ich im Plus sein sollte oder einen guten Trade gemacht habe, dann freue ich mich umso mehr. Ein lautes, langezogenen "Yeeees!" und eine geballte Faust, so zelebriere ich das in dem Moment. Für einen kurzen Moment denken, was für ein toller Börsenguru man ist und sich selbst feiern für den Augenblick. Das gibt mir Selbstvertrauen, erweitert von Mal und Mal den Horizont und ändert die Betrachtungsweise auf die Börse und damit auch auf den Umgang mit schlechten Tagen.

Das hab ich für mich gelernt und kann ich nur jedem empfehlen. Die positiven Gefühle aufzusaugen und sie voll auszunutzen. Ich ziehe Kraft und Selbstvertrauen daraus! Lasst die schlechten Tage dagegen nur einen geringen, im besten Fall sogar gar keinen Einfluss auf euch nehmen. Man darf niemals das Vertrauen in sich selbst verlieren, auch wenn es vielleicht sogar über Wochen gegen einen läuft. Was aber nicht ausschließt, seine Taktik zu überdenken und gegebenenfalls anzupassen

Das ist für mich mitunter sehr schwer, da ich von Grund auf kein sehr aufgeplustertes Selbstvertrauen habe. Man befindet sich immer in Lernphasen. Und dieser Absatz ist zwar auch auf die Börse bezogen, aber vor allem zählt er für das Leben an sich. Nur, wer im Alltag diese Werte beherzigt und vorlebt, kann es auch beim Trading tun.

Diese Werte definiere ich aus meinen persönlichen Erfahrungen und finde Techniken, die gut zu meinem Charakter passen.

Kommentare


Marian Rudnik (30)
  • Instagram - Black Circle
  • Facebook Black Round
bottom of page